Montag, 28. September 2009
22. September, Chonqing
Chinesen müssen ein anderes Körpergefühl haben als wir. Gestern Nachmittag gönnte ich mir wieder einmal eine Fussmassage. Eine Stunde bequem in einem Fauteuil liegen und sich die Füsse massieren lassen nach einer Methode, welche die Reflexzonen berücksichtigt, also nicht nur angenehm ist, sondern auch gesund sein soll für das allgemeine Befinden. Obwohl es ab und zu auch schmerzt, wohl die neuralgischen Punkte, ist das ganze doch äusserst entspannend. Selbst Arme und Beine werden massiert, die Kleider behält man dabei an. Beginnen tut das ganze Ritual mit einem heissen Fussbad. Und jetzt komme ich zu dem Körpergefühl: Mir war das Wasser mit den Kräutern darin viel zu heiss, sich erbarmend, goss der Masseur noch etwas kaltes Wasser nach, doch hatte ich auch dann noch Mühe, meine Füsse da hinein zu strecken und tat dies nur zögerlich langsam.
Am Abend sitze ich dann in einem der engen Gässchen am Hang. An einem Ort, wo es gerade ein paar Meter lang flach ist stehen zwei kleine Tische und die für China so typischen Plastikhocker. Die Frau bereitet mir einen Nudeltopf zu wie ihn die anderen auch essen. Der wird frisch gekocht, Nudeln, eine Art Spinat und Sojasprossen, gut und scharf gewürzt. Auch ohne Sprache, sie zeigt auf die verschiedenen Gewürze, beim Chili mache ich ein Zeichen „nur wenig“, bei den anderen nicke ich, kriege ich eine wunderbare, einfache Mahlzeit für etwa 70 Rappen. – Nun wieder zum Körpergefühl. Für mich ist diese Nudelsuppe wahnsinnig heiss, ich muss lange warten, bis ich das essen kann. Mein Gegenüber hingegen, der seinen Topf später kriegt, stürzt sich sofort darauf und scheint seinen Magen nicht zu verbrennen.
Bereits bin ich eine gute Nudelschlürferin. Kopf tief über den Topf, grosses Pack Nudeln zwischen die Stäbchen klemmen, mehrmals daran ziehen, bis es etwas weniger werden, dann hinein beissen, etwas schlürfen und mit den Zähnen abschneiden, sobald genug im Mund ist. Einzig bei den Gemüsen klappt das manchmal nicht so elegant, die sind zu zäh – doch das stört niemanden hier. Mein Visavis hat eine etwas andere Technik. Geräuschvoll schlürft er die Nudeln bis zu den Spitzen - wie Regenwürmer schauen die Enden aus dem Mund – in sich hinein. Im Hotel stelle ich dann fest, dass meine Bluse ziemlich verspritzt ist.
Heute Morgen erstmals in Chonqin so etwas wie Blau am Himmel. Davor zeichnen sich weisse Schäfchenwolken ab, die jedoch bald wieder von einem grauen Schleier überzogen werden.
Vor dem Hotelfenster schöner Vogelgesang, eine Art Amsel, ich war da noch nie sehr gut. Erstaunlich immer dieses Singen, das man durch den Stadtlärm hindurch wahrnimmt. Allerdings stammt das meist von eingesperrten Singvögeln. In den engen Gassen hängen überall Käfige an den Decken oder auch in Bäumen.
Am Morgen bin ich konservativ und gar nicht experimentierfreudig. So einfach es mir des abends fällt, in irgendeiner Gassenküche etwas Neues auszuprobieren, so ungern tue ich das am Morgen. Ich brauche meine verschiedenen kleinen Morgenrituale, welche ich auch hier so gut es geht beibehalte. Weshalb ich mir auch erlaube, wenn es ohne Schwierigkeiten geht, mir Frühstück nach westlicher Art zu bestellen – natürlich kostet das vier Mal soviel wie ein Gericht in der Gasse. Hier im Yellow River Youth Hostel in Chonqing – einer übrigens sehr empfehlenswerten Adresse – bestelle ich das Swiss Breakfast. Vier Toasts, Butter, Konfitüre, Spiegelei und zwei Stückchen in Plastik eingeschweissten Käse und dazu noch ein Swiss Müesli. Das besteht vorwiegend aus Äpfeln, Bananen, etwas Jogurt und noch weniger Müesliflocken. Gekrönt wird das ganze von ein paar halbierten Cherrytomätchen. Originell finde ich. Und für 3 Franken 50ig hätte ich das ganze in der Schweiz auch nicht bekommen.
Das chinesiche Essen ist ganz allgemein nicht nur sehr billig, sondern auch sehr gut. Und sehr vielseitig, jeden Tag sehe ich wieder eine neue Speise, die ich unbedingt ausprobieren muss. Seit ich meine kurze Durchfallattacke überwunden habe - damals widerstand mir der Geruch von chinesischem Essen für ein paar Tage - bin ich nun extrem begeistert von all den Speisen, hier in Sechuan meist sehr scharf, da muss man etwas aufpassen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen