Dienstag, 22. September 2009




Wuhan, 16. 9. 2009

Gestern Nachmittag im Park hatte ich grossen Hunger und ging deshalb ins Teehaus - in diesen Parks gibt es immer Teehäuser - und fragte, ob ich etwas essen könne. Die Kellnerin rannte davon und holte eine andere junge Frau, die sich sehr Mühe gab englisch zu sprechen. Ihre Kenntnisse waren minimal, doch sie war freundlich, und da es keine Speisekarte gab in unseren Buchstaben und auch sonst niemand dort am essen war, dem ich hätte ins Teller gucken können, gab ich ihr zu verstehen, das ich gerne das Essen sehen würde. Sofort führte sie mich in einen grossen düsteren Raum, wo ich zwei dösende Köche sah und dann in eine Art abgeteilte Speisekammer, in der vor allem Gemüse gelagert wurde. Ich zeigte auf ein paar Kohlköpfe, das hätte ich gerne. Sie meinte dann noch „beef“ und ich willigte ein, denn ich fand das eine gute Kombination. Zurück im Speisesaal machte ich mich auf eine grössere Warterei gefasst - doch oh Wunder - kaum kam ich von der Toilette zurück, da wurde bereits ein grosser Teller mit feinen Rindfleischscheiben, Frühlingszwiebeln und Peperoni auf den Tisch gestellt. Kurz darauf kam ein weiterer grosser Teller voll grob geschnittem Kabis gedämpft in Sojasauce. Beides war exquisit und ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie die Köche dies ohne Vorbereitung in derartig kurzer Zeit hervorgezaubert hatten.

Ein weiteres kleines Wunder erlebte ich dann etwas später an diesem Tag. Die Fährboote halten in Hankou gleich an dieser breiten, stark befahrenen Strasse entlang dem Yangse. Die ganze Passagierladung des Schiffes kam nun gleichzeitig zu der grossen Strasse. Ohne anzuhalten ergoss sich der Menschenstrom über die Fahrbahnen und wirklich, unglaublich, stoppte so ganz einfach den Fahrzeugverkehr, kein Hupen, kein brüskes Bremsen, keine Ampel, kein Polizist, der dabei geholfen hätte. Überhaupt erscheint mir hier der ganze Verkehr wie ein einziges amöbisches Wesen, das zwangsläufig all seine Bewegungen koordiniert. Und wie Moses durch das Meer, so gelangten nun die Fussgänger über die breite Strasse und sobald sie drüben waren, da schlossen sich die Autofluten auch bereits wieder. – Ich persönlich bin noch nicht Teil dieses Wesens. Ganz alleine kann ich keine 8-spurige Strasse überqueren und muss deshalb immer warten, bis ein Chinese ebenfalls hinüber will. Dem hefte ich mich dann sofort mit simultanen Bewegungen an die Fersen und werde so durch den Verkehr navigiert.

1 Kommentar:

  1. »Ohne anzuhalten ergoss sich der Menschenstrom über die Fahrbahnen und wirklich, unglaublich, stoppte so ganz einfach den Fahrzeugverkehr, kein Hupen, kein brüskes Bremsen, keine Ampel, kein Polizist, der dabei geholfen hätte. Überhaupt erscheint mir hier der ganze Verkehr wie ein einziges amöbisches Wesen, das zwangsläufig all seine Bewegungen koordiniert. «
    Vgl: http://www.mj-arte.ch/mj-texte/M/maeterlinck-ameisen.htm#TERMITENNEST

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