Donnerstag, 22. Oktober 2009



Ganglanban 16. Oktober 2009

Im Morgengrauen erwache ich von einem Wischen. Häufig ein frühes Geräusch in den Tropen, das erinnert mich an Sansibar. Ich stehe auf und will die Morgendämmerung geniessen. Wenige Leute sind aufgestanden um 7 Uhr morgens. Vor allem die Kinder, die auf dem Schulhof nebenan Ball spielen. Dafür habe ich die Bauern gestern, bis es fast finster war, noch auf den Feldern arbeiten sehen, offensichtlich gehören sie nicht zu den Frühaufstehern. Ich gehe zu den Ufern des Mekong, die gegenüberliegenden Hügel sind Wolken verhangen, die Sonne dringt nur vorsichtig durch die Nebelschwaden, eine eindrückliche Stimmung, Herbstnebel bereits. - Die ich nur im Gedächtnis bewahren werde, mein Fotoapparat wird seit Tagen immer schlechter, die Belichtung funktioniert nicht mehr recht und am oberen Rand, meist dem Himmel, wird alles rot eingefärbt - weshalb ich ihn oft gar nicht mehr mitnehme. Ersetzen? Ich bin am Zweifeln. Einerseits die Weisheiten Laotses und andererseits eben doch meine Touristenseele, die glaubt, alles fotografisch einfangen und verewigen zu müssen.
Die Landwirtschaft hier ist übrigens alles andere als rückständig, kilometerlang wurden Plastikbahnen im Abstand von etwa 2 Metern in den Boden verlegt und in Löcher Setzlinge gepflanzt, was der Landschaft ein witziges gestreiftes Aussehen gibt, von der Sonne beschienen leuchtet der Plastik an manchen Stellen grell auf. Auch die Bananen wachsen nicht einfach so vor sich hin, nein, sie sind dicht in akkurate Reihen gepflanzt und die Fruchtstände werden zur Reifung in Papier und Plastik verpackt. Und die Bauern laufen mit Giftkanistern auf dem Rücken herum, Monokulturen, soweit das Auge reicht.
Als ich von den Uferböschungen des Mekong zurück komme, ertönen bereits wieder chinesische Opern aus den riesigen Lautsprechern der neuen Betonarena. Madame Mao, Genossin Jiang Ching, soll die sehr geliebt haben und sich dafür engagiert, erfahre ich im Buch „Rote Azalee“ von Anchee Min. Anschliessend, während ungefähr 20 Minuten, Ansprachen. Politische Indoktrinierung? Ich verstehe nichts, doch nach dem eben erwähnten Buch würde mich das nicht erstaunen. Wird mit der grosszügigen Hilfe für die Minoritäten in den Randregionen auch gleichzeitig eine politische Erziehung verknüpft? Ich könnte mir das gut vorstellen. Und als der Lautsprecher der Arena fertig ist, beginnt gleich dasselbe auf dem Schulareal. Stelle ich mir mindestens vor, das bleiben Hypothesen. So viele Fragen hätte ich hier, in diesem Dai-Nationalitätenpark, doch seit zwei Tagen habe ich niemanden mehr getroffen, der auch nur etwas Englisch sprach. Das ist manchmal schon frustrierend.

Die tropische Lockerheit ist nicht immer einfach zu ertragen. Ich bitte den Besitzer des Guesthouses mir ein Taxi zu rufen. Nach einer halben Stunde und einem zweiten ermahnenden Telefon ist das immer noch nicht da, ich beschliesse, mich alleine auf die Socken zu machen und einen Wagen auf der Strasse zu stoppen. Recht bald hält ein Dreirädertaxi an. Unterwegs jedoch kriegt der Fahrer ein Telefon und – was ich normalerweise schön finde – hält zum telefonieren an. Nur will das nicht enden und so ich kriege immer mehr Angst, dass mir der Bus davonfährt.

Die Region Xishuangbanna ist definitiv nicht mehr China. Winzige Ameisen rennen zwischen den Tasten meines Labtops herum. Das sowieso nicht mehr viel nützt, weil hier das Wireless Lan unbekannt zu sein scheint, heute bin ich zum zweiten Mal in den Genuss eines Internetshops gekommen. Gestern hatte es nur vier Plätze und der Besitzer half mir breitwillig – weshalb alles erstaunlich gut ablief – heute dann ein Internet mit mehr als 20 Plätzen, bis auf eine Person waren alle am gamen. Auch der Leiter. Und liess sich nur sehr ungern stören. Immerhin, dank diesem Umstand habe ich nun auch eine Ahnung über die Probleme, die ein Traveller in China antrifft, wenn er kein eigenes Labtop hat. Auf Chinesisch sieht selbst Windows ganz neu aus. Und wenn man nicht weiss was „ja“, „nein“ und „abbrechen“ in chinesischen Schriftzeichen heisst, dann wird jegliches weitere Manipulieren des Computers zur Lotterie. – Aber ich bin hartnäckig. Fluche zwar fürchterlich, es versteht mich sowieso niemand, über all diese gamenden Kiddys, die derartig mit sich selbst beschäftigt sind, doch am Schluss schaffe ich es allein. Und beruhigend ist das irgendwie auch. Oder eher beunruhigend: Offensichtlich verhalten sich gamende Kiddys weltweit gleich.

Kurz darauf zweifle ich erneut, ob ich in China bin.....diese idiotischen Ameisen verschwinden zwischen den Computertasten ins Innere, verdammt nochmals, wie in Sansibar, vielleicht heizt mein armes Labtop deswegen dauernd wie verrückt, Insektenkrematorium oder so. Ich hoffe, mein lieber Apfel gibt nicht auch noch seinen Geist auf während dieser Reise,........Also: Im Strassenrestaurant, ich wähle gegrillte Spiesschen, ganze Fische gäbe es auch, doch ich entscheide mich für Schweinefleisch und Kartoffeln, eine gute Wahl wird sich zeigen, werde ich von einer Gruppe chinesischer Männer im besten Alter – was bedeutet, nur wenig jünger als ich - angesprochen und zum Trinken eingeladen. So mutig waren chinesische Männer noch nie, ob nüchtern oder besoffen, vor allem, wenn sie kein Englisch sprachen. Doch diesmal habe ich etwas Probleme, die feuchtfröhliche Gesellschaft los zu werden ohne sie zu beleidigen, einzig eine Flucht ins Hotel bleibt mir übrig.

Menglun. Eine kleine Stadt an einem Zufluss des Mekong, der Luosuo heisst und fuchsbraun träge durch saftiges Grün mäandriert. Bekannt ist Menglun wegen seinem botanischen Garten, dem grössten von China, lese ich. Den Garten besuche ich am Nachmittag, bzw. einen Teil davon, denn er ist riesig. Heute habe ich lediglich den Urwaldteil besucht. Ein ursprüngliches Waldstück rings um ein System von Gräben, durch das gepflegte Wege führen. Wirklich ein sehr schönes Erlebnis, echten Urwald trifft man ja kaum mehr an und wenn, dann ist der Zugang meistens sehr beschwerlich. Hier im Botanischen Garten gibt es auch ein Herbarium, eine Genbank und Forschungsinstitute und ganze Dörfer mit Wohnungen für Forscher und Pfleger des Gartens. 800 Forschungsarbeiten sollen bereits in dem Garten entstanden sein und 55 Publikationen geschrieben. - Wenn ich mich noch in tropischer Botanik betätigen möchte, dann wäre dies sicherlich ein denkbarer Ort.

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