Dienstag, 27. Oktober 2009





Kunming 25. Oktober 2009

Das „Cloudland Youth Hostel“ in Kunming ist eine gute Adresse. Sauber, günstig würde ich nicht sagen, ein Chinesisches Hotel dieser Klasse würde viel weniger kosten. Der Vorteil dieses Hotels ist aber, dass die Angestellten sehr gut Englisch sprechen und einem auch alle Buchungen abnehmen. So musste ich mich weder um das Ticket für den Nachtzug heute nach Guillin, noch um den Flug von dort nach Shanghai kümmern, alles wurde für mich erledigt. Und zusätzlich kriegt man Informationen, mit welchem Stadtbus man wohin gelangt, dies alles sind unschätzbare Vorteile. – Dann aber auch: Wieder einmal normal sprechen zu können, sich mit Leuten auszutauschen. Hier hat es Travellers von überall her. Deutsch, Französisch, Englisch natürlich, wird gesprochen, Spanisch, auch Südamerikaner hat es, und Jüdisch. So ist es sehr einfach mit Leuten in Kontakt zu kommen und Erfahrungen auszutauschen, was zwischendurch gut tut und nützlich ist beim Reisen. Es gibt allerdings auch viele Dinge, die mich hier nerven. Zum Beispiel, dass alle drei aktuellen Ausgaben vom „Lonely Planet Guide“, die vom Hostel grosszügierweise in einer gut ausgestatteten Bibliothek zur Verfügung gestellt werden, unvollständig sind, weil sich manche Leute offensichtlich einfach die Seiten herausschneiden, die sie gerade brauchen. Und sich so das Geld für einen eigenen Guide sparen. Ganz ehrlich gesagt, passe ich hier viel mehr auf meine Sachen auf, als in irgend einem wirklich chinesischen Hotel. Dort würde solches nie passieren. Die Kundschaft im Cloudland ist sehr gemischt, auch Chinesen sind hier, doch offensichtlich gibt es kaum eine Vermischung zwischen dem chinesischen und dem ausländischen Publikum. Obwohl gerade diese Chinesen hier im allgemeinen Englisch sprechen. Auch altersmässig ist es sehr unterschiedlich, neben einem vorwiegend jungen Publikum gibt es auch ältere Leute wie mich.Und gerade gegenüber, im nächsten Hof eigentlich, vom Restaurant aus hat es Fenster, die auf diese Seite führen, auf der anderen Seite also, ist ein chinesisches Publikum. Ein ganz normales Quartier, die Leute wohnen da und vor allem – in Kunming ein speziell schlimmes Übel - spielen bereits ab Mittag an ihren kleinen Tischchen. So kommt man auch hier in den Genuss von echtem China. Mindestens als Zuschauer.
Vorgestern habe ich den „Ethnic Nationality Park“ besucht, der mit dem Stadtbus erreicht werden kann. Ich habe mir erhofft, hier endlich eine Übersicht zu bekommen über die verschiedenen Minoritätenvölker Yunnans. Bai, Naxi, Dai und Hani sind mir ja unterwegs bereits begegnet. Doch habe ich so viele verschiedene farbenprächtige Trachten gesehen, dass es schwierig war, sie zuzuordnen. Übrigens wird traditionelle Kleidung im Alltag wohl weltweit vorwiegend noch von Frauen getragen, die Männer zeihen solches höchstens für Festtage an. Sind Frauen denn traditionsbewusster? Nicht alle dieser alten Kleidungsstücke könnte man nämlich als besonders bequem bezeichnen. – Zurück zum Park, in dem ich hoffte, mir eine systematische Übersicht verschaffen zu können, auch zu den Baustilen, beispielsweise der Naxi, der Bai und der Yi, die sich sehr ähneln, Hofhäuser, auf drei Seiten umbaut mit Stirnwand als Schutz vor neugierigen Blicken. – Doch dies scheint nicht dem Bedürfnis chinesischer Touristen zu entsprechen, viel wichtiger sind hier gute Fotosujets. Überall können Trachten gemietet werden, etwas, wovon die Besucher rege profitieren. So kleiden sie sich schön bunt, und lassen sich vor einem netten Häuschen ablichten. Vor irgendeinem, das ist wohl gar nicht wichtig, alle Kleidervermieter haben nämlich alle verschiedenen Trachten, damit die Besucher auslesen können. Weshalb ich auch nur sehr bedingt herausgefunden habe, wie sich die einzelnen Minoritäten kleiden. Offensichtlich recht variabel auch, so dass es schwierig ist, zuzuordnen. Aufgefallen sind mir die witzigen, bunt gefärbten Plissejupes der Miao, die ich bereits häufig in Souvenirshops bewundert habe. Dazu tragen die Frauen eine Art Lampenschirm auf dem Kopf, der mit Metallschmuck und Perlen reich behängt ist. Etwas weiteres habe ich auch noch gelernt, nämlich, dass man auch in Yunnan bei manchen Völkern den Blockhausstil kannte. Das sieht dann effektiv fast aus wie in der Schweiz, dem Wallis am ersten, denn die Häuser stehen ebenfalls auf Stelzen, allerdings ohne die charakteristischen Steinplatten dazwischen. Leider war man in diesem Park aber zu faul, das richtig nachzubauen, weshalb gut sichtbar ist, dass die hervorstehenden Eckstücke nur aufgeklebt sind. Überhaupt zweifle ich etwas, ob alle Details hier auch wirklich stimmen, wahrscheinlich war dieser Anspruch nicht so wichtig. Hauptsache: ein Touristenmagnet.
Dasselbe ist natürlich auch Shilin, der Steinwald in der Nähe von Kunming. Extrem schöne Felsformationen, hochhausgrosse Karstzähne, zwischen denen Wege gebaut wurden, manchmal sind die Durchgänge so schmal, dass man Angst hat stecken zu bleiben. Und irgendwo schwappt zwischen diesen Gigantenzähnen ein Teich mit tintenschwarzem Wasser, über den Stege und Brücken führen. Unheimlich und schön. Man kann hier tagelang herumwandeln. – Doch das tun die wenigsten, sobald man von den zentralen Fotosujets weg ist, die mit Elektrobussen angepeilt werden, dann ist man ganz alleine. Oder fast. Zwischendurch trifft man auf andere ausländische Touristen und die paar wenigen Chinesen, die es auch bevorzugen, individuell herumzureisen.Im „Cloudland“ meint eine Französin, ja, das nerve sie auch, dieser chinesische Gruppentourismus, alle zusammen, eine hübsche Leiterin, die dauernd in ihr Megafon quacke und die Leute vorantreibe. Doch dies sei wohl der Beginn des Tourismus, ist die Französin überzeugt, vorher hätten sie das nicht tun können. - Ich habe darüber nachgedacht und denke, das stimmt nicht. Bei uns begann der Tourismus mit ein paar Individualisten, die als Spinner angesehen wurden und die Berge eroberten. Erst viel später folgte der Massen- und Gruppentourismus. Wahrscheinlich fühlen sich die Chinesen einfach wohler, wenn sie nicht alleine sind. In der dicht bevölkerten chinesischen Welt ein Vorteil.

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