Dienstag, 13. Oktober 2009




Dali, 11. Oktober 2009

Sonntagmorgen. Dali verabschiedet sich mit strahlendem Sonnenschein, doch auch heute wollen sich die Gipfel des benachbarten Cang-Shan-Gebirges nicht enthüllen, weshalb ich sie in ihrer mysteriösen, wolkenumhängten Schönheit zu skizzieren versuche. Ein Spaziergang führt mich ein letztes Mal durch die Stadt. Ich entdecke einen sehr schönen öffentlichen Park gleich um die Ecke. Hinter hohen Mauern ist er verborgen, weshalb ich glaubte, dass dies eine weitere gebührenpflichtige Sehenswürdigkeit sei. Der Park ist zwar klein, aber sehr gut gemacht, kein alter Park, viele intime Ecken, in denen man verweilen kann. In einem dieser Winkel treffe ich die Vogelfreunde, eine merkwürdige Spezies auch in China. Alle sind sie mit ein bis mehreren Vogelkäfigen gekommen, die beim Transport mit einem Tuch verhüllt werden, und haben nun diese in Bäume und Büsche aufgehängt. Braune amselgrosse Vögel sitzen darin mit weissem Augenring, sonst sind sie unspektakulär. Die Männer wiederum, ich entdecke auch eine Frau, haben sich sorgfältig gekleidet und lauschen nun andächtig dem Gesang ihrer Vögel. Später entdecke ich auch eine Art Doppelkäfig. Auf jeder Seite des Gitters wird ein Vogel hinein gelassen. Ich denke erst, es gehe wohl darum, die sozialen Kontakte der Tiere etwas zu fördern, Männlein und Weiblein dürften sich zwischendurch nahe sein, das hebe sicherlich die Singfreudigkeit. Und entdecke dann später, dass alles Männlein und Rivalen sind, wütend fliegen manche Vögel ans Gitter und würden sich ohne dieses wohl gleich zerfetzen. Doch wenn sie sich etwas beruhigt haben, fangen sie zu singen an, ein Wettkampf beginnt. Würdig beobachtet von den ernsthaft dreinblickenden Besitzern.

Ich wähle Reisnudelsuppe zum Frühstück. Reisnudeln haben die Eigenart etwas zu kleben, was das Verspeisen enorm vereinfacht. Doch auch so besteht ein Risiko von Spritzern, die Flüssigkeit ist rot gefärbt vom Chili. Weil ich bereits eine neue Bluse angezogen habe für den bevorstehenden Flug nach Jinhong stresst mich nun meine Frühstückswahl etwas. Ich hätte besser warme gedämpfte, etwas fade Brötchen gewählt. Oder in Fett frittierte Teigwürstchen, nicht süss, mit warmer Sojamilch, durchaus eine gute Frühstücksvariante.

Jinhong. Die subtropische Stadt am Mekong, nach knapp 50 Minuten Flugzeit. Hinter den sieben Bergen, denke ich. Doch weit gefehlt. Auch Jinhong hat einen neuen Flughafen und die Stadt selbst ist wohl gerade daran, sich neu zu definieren. Gebaut wird wie verrückt, das Terrain entlang dem Mekong – die Stadt stiess bisher nicht ganz ans Wasser – wurde durch einen Damm geschützt, ein Park am Ufer ist in Entstehung und dahinter riesige Baufelder. Hochhäuser nach chinesischem Stil. Kitschig für mich, doch hier gefällt das. Ich selber wünsche mir da den Retrostil von Dali zurück, mit menschlicheren Dimensionen. Auch nicht ideal, doch so stark an die alte Architektur angelehnt, dass nicht allzu viel schief gehen kann. Hier eine Mischung zwischen Buddhistischen Tempeln, kitschig-bunt bereits die, und Hochhäusern. An den neuen Gebäuden haben selbst Drachenfiguren ihren Platz und nutzlose kleine gebogene Dächer als Dekoration. Und die Fassaden sind bunt. Beliebt ist momentan Zitronengelb, nebst einem furchtbaren Blassorange, einem Pistachegrün oder Rosa. Fensterrahmen wenn möglich noch in einer weiteren Farbe. Ich persönlich wünsche mir da ob so vielem Gestaltungswillen ganz heimlich die kommunistische Eintönigkeit zurück. Weiss oder Grau, keine Extravaganzen, auch von der Gestaltung her.
Mit einem Wort: Jinhong ist eine hässliche Stadt, lärmig ebenfalls, viel Verkehr, doch zum Glück nicht allzu gross, das Zentrum ist recht rasch durchschritten. Und das tropische Grün, all die Alleebäume, häufig sind es auch Palmen, mildert das ganze auf ein erträgliches Mass herab.

Eigentlich wusste ich es: Nach zwei sehr geglückten Destinationen, Shaxi und Dali, mit tollen Hotels und Restaurants auch, da musste wieder einmal etwas Ernüchterndes kommen. Eine echt chinesische Stadt eben. - Und doch auch wieder nicht, die Tropen sind hier fühlbar, Männer die in den Parks herumliegen, das erinnert mich stark an Sansibar. Und am Abend, als ich durch eine hell erleuchtete Einkaufstrasse mit teuren Schuh- und Kleiderläden gehe, da bin ich doch wieder erstaunt. Reich scheinen die Bewohner zu sein. Ein Gefühl, das ich in den meisten chinesischen Städten habe. In China gibt es auch keine Slums, ich habe noch nirgendwo einen Armengürtel rings um die Städte gesehen.

Jinhong hat durchaus auch positive Seiten. Ich bemerke erfreut, dass ich jedes Mal, wenn ich in ein Lokal hinein gehe, erst ein kühles Glas Wasser mit einem Limettenschnitz kriege. Noch bevor ich etwas bestelle. Eine schöne Geste. Und die Kellnerin in dem Lokal aus meinem Führer, das ich in Ermangelung eines Hotels, das mir gefallen hätte, erst einmal anlaufe und frage, ob ich den Koffer dort deponieren könne, die reicht mir eine Kopie eines Stadtplanes und dann führt sie mich auch noch zu den Hotels. Alleine hätte ich das kaum gefunden, so vieles hat sich bereits geändert, seit dem Druck meines Führers. Ich wohne nun in einem sehr chinesischen, einfachen Hotel, Sicht auf einen belebten Innenhof, ohne Charme, dafür enorm billig und sauber, sogar mit Arbeitstisch, in China eine Rarität. Und nachdem ich die Glanzidee gehabt habe, eine stärkere Glühbirne zu kaufen, sogar mit durchaus passablem Leselicht, normalerweise einer Schwachstelle in hiesigen Hotels. Allerdings heizt die gekaufte Glühbirne enorm auf, was mich etwas ängstigt, doch auch das Netzstück meines Labtops wird in China feuerheiss. Nicht genau die richtige Stromspannung, meinte Mr.Paterson. Deshalb weniger wirksam und mehr Verluste in Form von Wärme.

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