Donnerstag, 22. Oktober 2009



Ganglanban 14. Oktober 2009

Die Chefin vom Meimei Kaffee - sie ist nur am Abend dort, spricht sehr gut Englisch und kennt alles, was ein ausländischer Tourist braucht - hat mich gestern aufgeklärt. Doch, die Stadt sei reich, die Gummiplantagen rings herum, der Pu’er-Tee, ein Gebräu, das ich gänzlich ungeniessbar finde, soll aber sehr gesund sein, ist gefragt und teuer, also dieser Tee auch und Zuckerrohr, dann die Lage grenznah. Und ja, das sei schon so, ganz anders als eine chinesische Stadt sei Jinhong. Sie selber komme aus Dali, doch hier sei das Leben viel lockerer, Tropen eben.
Was hier vor allem auffällt ist die ausgesprochene Freundlichkeit der Leute. Auch heute, am Busbahnhof, kommt eine Frau einfach mit mir hinein, sucht den richtigen Bus und bringt mich zu meinem Platz, denn hier in China sind Busbillette immer nummeriert. Und wenn es keinen freien Sitz mehr hat, dann gibt es kein Ticket mehr. Problematischer ist das allerdings, wenn man nicht am Startort des Busses einsteigen möchte, Sitzplätze sind dann extrem rar.

Dem Mekong entlang schlängelt sich die Strasse in vielen Windungen durch die hügelige, tropisch grün wuchernde Gegend. Der Fluss ist zwischen Abhänge eingequetscht und wirkt schmaler, die Ufer sind von Felsplatten gesäumt, grosse Felsbrocken ragen häufig auch mitten aus dem Fluss auf, so ganz einfach erscheint mir eine Schifffahrt nicht. Auch die Strasse ist holperig, schmal und voller Löcher, wir sind ganz eindeutig am Rande des chinesischen Reiches angelangt.

Meine Busfahrt endet in Ganlanba oder Menghan - häufig haben Ortschaften hier zwei Namen – ich will den Minoritäten-Park besuchen gehen. Übernachten könne man auch gleich dort, heisst es im Führer und bereits hat mich ein Taxichauffeur zu einem Dai-Haus gebracht, einem der wenigen, noch einigermassen originalen, die Wände sind aus Bambus dicht geflochten, die Fenster ein lockeres Geflecht. Sehr einfach, Matratzen auf dem Boden, doch sauber. Auf der ganzen Holzplattform, Dai-Häuser stehen auf Stelzen, läuft man barfuss herum. Friedlich sieht das ganze aus. Niemand spricht Englisch. Trotzdem habe ich eben gut gespiesen, habe auf grüne Sprosse gezeigt, der Mann auf Eier, schliesslich gab es ein spinatartiges Gemüse, Ei mit Tomaten und Reis. Auffällig ist hier, das der Hausherr kocht und abwäscht und putzt und der Sohn mir serviert. Die Frau habe ich nur kurz beim Bezug des Zimmers getroffen. Auch da hat sie nicht in die Handlung eingegriffen.

Dann ein erster Rundgang durch den grossen Park, eigentlich ist es eher ein Landstrich mit drei ursprünglichen kleinen Dai-Dörfern plus neu dazwischen hingekleckerten Touristenattraktionen nach chinesischem Geschmack. Eine Betonarena, in der am Nachmittag kitschige Tanzshows mit hunderten von schön gekleideten Dai-Frauen in engen, knöchellangen, seidig-glänzenden Kostümen – was die Dai-Frauen effektiv selbst für die Feldarbeit tragen – gezeigt werden. Ich kann mir ehrlich gesagt keine unbequemere Kleidung hier in den Tropen vorstellen. Gegenüber ein riesiger flacher Teich mit kitschiger Figur in der Mitte, in dem täglich das Wasserfest von Jinhong nachgespielt wird. So komme ich auch noch in den Genuss solch eines Spektakels, der normalerweise im Frühling stattfindet. Hier also täglich. Die jungen schönen Frauen, auch einige glänzendseidig gekleidet Männer hat es dabei, stehen mit Plastikbecken im Wasser und spritzen sich so fies wie möglich voll bis alle klitschnass sind. Die chinesischen Touristen werden rechtzeitig vor dem Start dorthin gekarrt, können sich noch gerade etwas zu trinken oder zu essen bestellen oder ein Kostüm mieten, denn wer will, der kann auch gleich mitmachen. Ganz nach dem Motto, Karaoke macht Spass. Zu den bereits bezahlten 100 Yuan Eintritt in das Gelände, kann man sich für 30 Yuan auch noch einen Tribünenplatz leisten, was sehr viele Touristen willig bezahlen, und dann geht es los. Es wird geknipst und gelacht und die Touristenwasserfestler fallen dadurch auf, dass sie innert kürzester Zeit mit den Händen vor den Augen stehen bleiben und kampfunfähig sind. Alle haben offensichtlich Spass und danach wird noch bezahlt für Fotos auf einem Elefanten, zwischen zwei Pfauen auf einem Bänklein oder für ganz mutige auch zusammen mit einer Riesenschlage. Davon wird kräftig profitiert, bis die, auch nach Dai-Art gekleideten Reiseleiterinnen zum Aufbruch mahnen, die offenen Elektrobusse stehen schon bereit und sind rasch gefüllt, Chinesen sind sehr disziplinierte Touristen. Und bereits sind auch die Tische wieder abgeräumt und die Stühle zusammengestellt, selbst das Personal zeigt Tempo. Die Elektrobusse werden noch irgendwo an einem kitschig nachgebauten Buddistischen Tempel anhalten, wo nochmals Gelegenheit sein wird, Souvenirs einzukaufen – leider überall in der Provinz Yunnan ungefähr der gleiche Mix von Sachen, so dass ich bis heute nicht genau weiss, was nun Naxi, Bai, Yi, Dai oder sonst was ist. Gegen fünf Uhr abends verlassen dann fast alle Touristengruppen den Park, nur ganz wenige verbringen mehr als einen Tag dort und endlich wird es wieder ruhig, fast normal, stelle ich fest, als ich in der Abenddämmerung durch die Gegend spaziere und den Leuten in den Dörfern zuschaue, die so leben, wie sie dies fast überall in den Tropen tun, aufleben eben, sobald die Kühle des Abends kommt, und sich in den Strassen treffen.
Am Mittag, bevor die grosse Touristenflut angeschwemmt wurde, bin ich zu einem Dai-Haus gegangen, wo sich viele Leute unter der Holzplattform zusammenfanden und assen. Ich nahm an, das sei ein Restaurant. Und wurde eingeladen abzusitzen, kriegte einen Beutel Klebreis und eine Schale und Stäbchen, es wurde mir gedeutet, zuzugreifen. Etwas merkwürdig fand ich schon, dass alle aus denselben Schälchen assen, doch ich sagte mir, ich nehme dann eine Tablette mehr, ich habe sowieso wieder Durchfall, in China müsste man wahrscheinlich vorsichtiger sein. Ich war sehr froh, dass auf der Mitte des Tisches sehr viele verschiedene Speisen standen, so konnte ich mich gut an Pflanzliches halten. Schon bald kriegte ich ein Gläschen starken Schnaps offeriert. Irgendeinmal bemerkte ich, dass ein Schweinekopf herumlag, an dem sich später einer der Männer zu schaffen machen sollte. Und schnitt und zerlegte und schliesslich eine Schüssel in den Kühlschrank stellte mit Fleischstücken und obenauf etwas, das aussah, wie die Gummimaske eines Schweinekopfes, Ohren und Schnauze, alles noch zusammenhängend, sicherlich eine Spezialität. Schliesslich stehe ich auf und will bezahlen. Nichts dem, meint man, ganz offensichtlich war das kein Restaurant, sondern ein Festessen, zu dem ich einfach so gekommen bin.

So habe ich heute das Glück gehabt, China gleich doppelt zu erleben. Einerseits die freundlichen einfachen Dai-Leute, die hier wohnen und andererseits eine weitere Episode aus dem Leben chinesischer Touristen.

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