Freitag, 23. Oktober 2009



Xingxi, 20. Oktober 2009

Die Chinesen sind ein sehr energiebewusstes Volk. Sobald irgendwo ein Licht nicht mehr benötigt wird, kommt sofort jemand und schaltet es aus. Und in den Hotelzimmern sind die Glühbirnen meistens derartig schwach, dass es praktisch unmöglich ist, zu lesen. Seit ich mir eine starke Glühbirne gekauft habe, kann ich das wieder bequem tun, so manch düsteres Hotelzimmer hat sich damit in bestem Licht gezeigt. Energiebewusst sind die Chinesen auch in dem Sinne, dass südlich vom Yangtse nicht mehr geheizt werden darf. Oder durfte, das ändert sich wohl etwas. Obwohl da winters durchaus auch Temperaturen um den Gefrierpunkt herum vorkommen können. Ein letztes leidiges Thema dazu ist das Warmwasser. Ganz selten kann wirklich heiss geduscht werden. Auch hier habe ich eine Methode entwickelt. Ich giesse heisses Wasser aus der Thermoskanne oder dem Teekocher ins Lavabo, so kann ich mich wenigstens warm waschen, etwas, das ich bereits wieder schätze. Der Herbstnebel kriecht des abends über die Berghänge, die Nächte sind kühl und feucht und er bleibt auch am Morgen noch lange liegen.
Diese Energiesparmanie, die ja lobenswert ist, macht ebenfalls, dass eine kleine Stadt wie Xingxi bereits um sieben Uhr abends im Dunkeln liegt, die Tage werden kürzer, das ist in China genauso spürbar. Ich gehe der langen Strasse entlang, die über den buckeligen Grat führt, von Geschäften gesäumt, die aber die meisten bereits geschlossen sind, eine Strassenbeleuchtung existiert nicht, zwangsläufig eine Fussgängerzone, denn zwischendurch gibt es Teilstücke mit Treppen. Beidseitig Ausblicke durch schmale Seitengässchen, die schwindelerregend steil, meist Treppen, hinunterführen. Dies ist der hauptsächliche Reiz von Xingxi, einem Ortsteil von Yuanyuang, das für seine Reisterrassen berühmt ist. Noch nicht allzu sehr, der chinesische Massentourismus ist nicht hier angelangt. Zu abgelegen wohl. Aber wahrscheinlich auch, weil sich Berghänge schlecht vermarkten lassen. Wo soll man da Eintritt verlangen?

Yuanyuang ist zwar eine angenehme kleine Stadt, doch beschliesse ich trotzdem, heute weiter zu reisen. So viele – und auch noch weit schönere - Reisterrassen habe ich auf meiner dreitägigen Reise durch das Gebirge gesehen, da kann mich dieser Ort nicht mehr sonderlich beeindrucken.

Zum Thema Emanzipation. Warum gibt es in der Schweiz eigentlich nie Proteste, dass nicht gleich viele Frauen wie Männer Bauarbeiterinnen, Strassenwischerinnen oder Abfallentsorgerinnen sind? Da würde sich doch ebenfalls eine Quotenregelung aufdrängen. Hier in China mindestens, werden auch diese Arbeiten gleichermassen von Männern wie von Frauen erledigt. Überhaupt kann man hier das Schema von Männerberuf und Frauenberuf offensichtlich gänzlich vergessen. Ich weiss nicht, wie heutzutage die Leute hier ihren Beruf auswählen. Wohl kaum nach Wünschen und Träumen, wenn sie Glück haben vielleicht nach Neigungen. - Während der Kulturrevolution war das klar, da sagte die Partei, was für Leute sie brauchte, der einzelne hatte nichts zu seinem Schicksal zu sagen. Auch Intellektuelle wurden in Fabriken und zur Landarbeit geschickt. - Selbst heute machen die meisten Leute in China eine Arbeit, die körperlich sehr anstrengend ist und in der Schweiz wohl von der Suva verboten wäre. Männer wie Frauen.

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