Jiangcheng, 17. Oktober 2009
Jiangcheng liess sich in keinem Reiseführer finden, ich wusste, dass ich mich auf ein Abenteuer einliess. Doch um von Jinhong zu den berühmten Reisterrassen in Yuanyang zu gelangen, gab es entweder einen Nachtbus oder dann die Strecke der vietnamesischen Grenze entlang mit Buswechsel und Übernachten in diesem Jiancheng. Ich habe die zweite Variante gewählt, denn ich wollte etwas von der Gegend sehen.
Als ich heute Morgen in Menglun in den Bus stieg, roch es streng darin, Bauern, hatte ich das Gefühl, zurück in ihre Dörfer und war froh, als sich der erste Fahrgast eine Zigarette anzündete. Sogleich begann sich der Bus in die saftiggrünen Hügel hinauf zu winden, die Strasse war steil und kurvenreich, die abschüssige, zerfurchte Hügellandschaft – das Emmental lässt grüssen – ist nur noch stellenweise vom tropischen Urwald bedeckt. Der grösste Teil der Landschaft ist mit Gummiplantagen bepflanzt oder mit Tee, seltener Bananen. Ältere Gummibaumplantagen mögen für Nichtbotaniker recht natürlich wirken, aus der Ferne sieht man die schmalen Terrassen nicht mehr, die in die Abhänge geformt wurden. – Doch was will ich anklagen, im Emmental ist der Wald ja auch rar geworden, kein Grund also zu erwarten, das hier alles noch reine Natur. Immerhin macht die tropische Natur, dass alles wild spriesst und wuchert, nicht nur ganz das was soll, und verwundert stelle ich fest, dass selbst die steilsten Terrassen in den Hängen offensichtlich nicht von Erosion bedroht sind. Derartig schnell schliesst sich die üppige Pflanzendecke wieder und schützt den nackten roten Boden.
Nach ungefähr einer Stunde hält der Bus in einer steilen Kurve, beste Aussicht auf die umgebende Landschaft hinunter, ein paar Motorräder warten auch dort, einige Menschen sitzen herum, ein steiler Weg führt zu einem Dorf hinunter. Ein Mann und eine Frau stehen auf und verschwinden offensichtlich im Gebüsch. Ich finde das einen originellen Toilettenhalt, der Chauffeur beginnt zu telefonieren, eine Weile geschieht sonst nichts. Dann stehen die meisten Busteilnehmer auf und verschwinden ganz offensichtlich im Gebüsch, der Buschauffeur telefoniert immer noch, die Zeit vergeht und schliesslich finde auch ich, dass ich das ja mal ausprobieren könne. Ein Stück die Strasse rückwärts, dann eine Terrasse hinunter, von der Strasse her sieht man mich nicht mehr, dort finde ich die Frauen bei ihrem Geschäft. Ich hocke mich ebenfalls hin und bin ganz begeistert von der Aussicht, die sich mir bietet und finde den Chauffeur wirklich toll, das ist weit besser als die stinkigen schmutzigen Aborte in den Bushaltestellen. Inzwischen hat der Buschauffeur den Deckel über dem Motor abgenommen, er misst den Ölstand, die Busse hier haben die Motoren von oben zugänglich direkt neben dem Fahrer in der Mitte platziert. Ich setze mich wieder, der Chauffeur telefoniert immer noch, ich beginne Wörtchen zu repetieren und ungefähr nach einer Stunde finde ich doch, das dieser Buschauffeur seine persönlichen Probleme ruhig ausserhalb seiner Arbeitszeit lösen könnte und nun langsam weiter fahren. Nach einer weiteren halben Stunde hat sich der morgendliche Nebel verzogen, die Sonne brennt gnadenlos auf den Bus hinunter, was mich veranlasst, diesen erneut zu verlassen. Draussen sehe ich dann einen Mann unter dem Bus etwas manipulieren, und mehrere Männer die daneben hocken. Niemand spricht, keine guten Ratschläge oder Fragen, doch mir wird endlich klar, dass da etwas nicht stimmt. Dass der Fahrer herumtelefoniert hat um zu fragen was zu tun sei. Inzwischen ist offensichtlich ein Auto mit einem Mechaniker angerückt, der den Schaden zu beheben versucht. Einige Busse passieren uns von beiden Seiten und halten jeweils an. Ich denke daran, den Bus zu wechseln, doch der Fahrer bedeutet mir nein, der Buss sei gleich wieder fahrbereit. Wenn ich dem Treiben unter dem Wagen zuschaue, finde ich das recht optimistisch. Der Fahrer erhält von einem weiteren Bus sein Mittagessen mitgebracht, er organisiert sich gut ist zu sagen. Kurze Zeit darauf springt der Motor wieder an, die Reise geht weiter, ich glaubte damals noch, so in rund zwei Stunden seien wir am Ziel. – Angekommen sind wir dann gut 6 Stunden später, ich habe diese Reise gänzlich unterschätzt. 180 km durch enge kurvenreiche Gebirgsstrassen, das braucht offensichtlich viel Zeit. Auch wenn der Bus nun nicht mehr bockt. Zweimal noch hält der Chauffeur an und öffnet zur Kontrolle die Haube zum Motor. Leichenstille im Bus, niemand spricht und nach einer Weile fährt der Chauffeur weiter und mir fällt ein Stein vom Herz. Keine Ahnung, was dem Motor gefehlt hat.
Auf der Strecke begegnen wir vor allem Lastwagen und Maultierkarawanen, die schwere Säcke geladen haben, dem widerlichen Geruch nach nehme ich an, ist es Kunstdünger. Der südafrikanische Forstingenieur, den ich kennen gelernt habe, hat mir bereits gesagt, dass die chinesischen Böden extrem mager seien, wahrscheinlich von Natur aus, bereits die Gesteine. Ohne Düngung könne man hier selbst Eucalyptus nicht anpflanzen. Und Maultierkarawanen sind hier offensichtlich mit Lastwagen noch konkurrenzfähig. Je weiter wir ins Land eindringen, desto häufiger sind es Hunde, Ziegen oder eben Maultiere und ihre Führer, die uns auf der Strasse begegnen. Sobald sich die Strasse wieder etwas in Talsohlen hinunterbewegt, wird Reis angebaut, etwas höher noch Mais und die charakteristischen Holzhäuser der Dai klammern sich auf Stelzen in die steilen Hänge. - Von wegen Minoritätenpark in Ganglanba. Hier oben liessen sich viel grössere noch ursprünglich erhaltene Siedlungen finden.
Etwas höher in den Hängen, dort wo die Gummibaum- und Teestrauchplantagen beginnen, sind die
Siedlungen neueren Datums. Ganz offensichtlich wurden sie erst kürzlich angelegt. Zusammen mit den vielen jungen Plantagen, die man an den zarten Bäumchen einfach erkennt. Häufig werden im jungen Stadium noch Teehecken dazwischengepflanzt, oder Ananasstauden.
Wunderschön ist sie, diese Landschaft, die am Busfenster vorbei zieht, doch irgendeinmal gegen Abend werde auch ich müde vom Schauen und Geschütteltwerden und bin froh, als wir endlich ankommen. Glücklicherweise finde ich ein passables Hotel, mehr als ich hier erwartet habe, gleich neben dem Busbahnhof. Komplizierter wird es mit der Organisation der Weiterfahrt morgen nach Yuanyang, fast befürchte ich schon, ich müsse nun doch noch zur Notleine greifen und dem Mr.Guo telefonieren, der mir anbot, bei Schwierigkeiten jederzeit an ihn zu denken, er fungiere dann als Übersetzer. Doch zum Glück kommt es doch nicht so weit. Ich finde erstens heraus, dass der Bus zwar nicht von hier, doch von der Bushaltestelle nebenan fährt und dass es zweitens gar keinen direkten Bus nach Yuanyang gibt. Nur einen bis Lüchun, das gehe so rund 5 Stunden, dort müsse ich umsteigen. Und ob ich dann bis am Abend in Yuanyang bin, darauf mag ich mich momentan nicht verlassen. Ein weiterer beschwerlicher Tag also.
Jiancheng ist gar nicht so winzig, grösser mindestens als die vorderen beiden Orte wo ich übernachtet habe, aber eben touristisch uninteressant. Normale chinesische Kleinstadt im tropischen Hügelland. Doch in der einzigen langen Ladenstrasse finde ich endlich ein passendes Ladegerät für mein Sony Ericsson, es hat hier Duzende von Läden mit Natels, und auch die chinesische Durchfallmedizin ergänze ich vorsichtshalber wieder. Auf der Strasse werde ich von einem Grüppchen fröhlicher Frauen angehalten, die wollen, dass ich mich zu ihnen setze. Trotz Sprachproblemen kann ich ihnen auf die meisten Fragen antworten. Ja, ich reise alleine. Aus der Schweiz komme ich. Und ja, 50ig jährig sei gar nicht so schlecht, da habe sie gut geraten. Und gegessen hätte ich bereits, danke. Nach Yuanyang wolle ich weiter. Ich finde sogar heraus, dass die Frau, die an einem Holzstück herumhobelt, daran ist, eine Medizin herzustellen. - Ist doch wahnsinnig, wie viel Kommunikation möglich ist, wenn alle wollen.
Donnerstag, 22. Oktober 2009
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